100 Tage Milei in Argentinien: Beleidigungen sind jetzt Teil des politischen Alltags

Analyse

100 Tage ist der rechtslibertäre Präsident Javier Milei nun im Amt. Die Bilanz: die Wirtschaft ist ausgebremst, die Armut steigt und die maßlose Polarisierungskampagne setzt den Zusammenhalt der Gesellschaft und das Vertrauen in die Demokratie aufs Spiel.

Blick von hinten auf eine Reihe gerüstetet Polizist*innen mit schwarzen Helmen. Ihnen entgegen stehen viele Demonstrierende mit gereckten Fäusten, Fahnen und Schildern.

Die ersten 100 Tage seit dem Amtsantritt Javier Mileis als neuem Präsidenten Argentiniens waren alles andere als beschaulich. Schon mit seiner Rede zur Amtseinführung am 10. Dezember 2023 – nach trumpschem Muster und auf einem Podium mit dem Rücken zum Kongress, statt wie üblich im Plenum  –  machte der rechtslibertäre Präsident klar, dass es nach dem Wahlmarathon keine Atempause geben würde. Das präsidiale Amt bremste weder seinen Reform- und Dekretierungseifer, noch die intensive mediale Kampagnenbegleitung der Regierungsführung, vor allem auf den digitalen Plattformen. Teil des politischen Alltags sind seitdem unter anderem auch großzügig ausgeteilte Beleidigungen aller Art gegen Journalist*innen, Feminist*innen, Menschenrechts-Verteidiger*innen und -aktivist*innen, gemäßigte Oppositionelle und alle, die in irgendeiner Form Kritik üben.

Das Notstands-Dekret hat massive Auswirkungen

Bereits 10 Tage nach Amtsantritt erließ der Präsident das sogenannte nationale Notstands-Dekret (DNU 70/2023), das in über 350 Artikeln eine radikale Defizit- und Inflationsreduktion anschieben soll, aber auch darüber hinaus unzählige Gesetze und Regelungen meistenteils abschafft oder grundlegend im Sinne einer vollständigen Deregulierung verändert. Darunter u.a. zentrale arbeitsrechtliche Schutz- und gewerkschaftliche Organisationsregelungen, Mieterschutz, grundlegende Regulierungen im privaten und öffentlichen Gesundheitswesen sowie massive Eingriffe und Verschärfungen im erst vor wenigen Jahren parteiübergreifend reformierten Zivil- wie auch Strafrecht. Zudem beinhaltet das Dekret die Abschaffung zentraler Vorgaben im Verbraucherschutz, u.a. auch im Kreditkartengeschäft und die Privatisierung sämtlicher Unternehmen im staatlichen Besitz oder mit staatlicher Beteiligung. Auch in sensiblen Sektoren wie Gesundheit, Transport und Strom sollen die Preise freigegeben werden. Einige Folgen dieses Dekrets wertete das CELS, Partnerorganisation der Heinrich-Böll-Stiftung, aus.

Auch der Regierung freundlich gesinnte Kräfte im Kongress empörte allerdings ein im Gesamtpaket versteckter, spezifischer „Ermächtigungs-Paragraph“. Dieser sollte dem Präsidenten in zentralen Politikbereichen für zwei Jahre umfassende Vollmachten für ein Regieren ohne Beteiligung des Kongresses erteilen. Vor allem dieser Absatz sorgte dafür, dass entgegen der Hoffnungen der Regierung das Gesamtpaket nicht ohne Weiteres in den ersten Januarwochen den Kongress passierte, sondern stecken blieb.

Mileis Wirtschaftspolitik: Rezession gegen Inflation

Ab Januar fror die Milei-Regierung nicht nur den Haushalt auf dem nominellen Niveau von 2023 ein. Er setzte auch, unter dem Vorwand der notwendigen Überprüfung sämtlicher Ausgaben und angeblich korrupter Strukturen, in fast allen Bereichen außer Sicherheit und Verteidigung die Auszahlung einzelner Haushaltsansätze aus. Dies betraf vor allem die Sozialhaushalte. Ein Grund hierfür liegt sicherlich auch in der Unfähigkeit, zentrale Positionen auf mittleren Ebenen – zum Teil bis hin zur Staatssekretär*innenebene – in der staatlichen Verwaltung mit eigenem und geeignetem Personal zu besetzen.

Das schlagartige, faktische Aussetzen der Haushalte hat zu einer harten Vollbremsung der Wirtschaft geführt.

Weiteres Motiv zur Mittelsperrung waren inflationstreibende Preissprünge, die auf die unerwartet starke Abwertung des Pesos nach Mileis Amtsantritt folgten und eine erfolgreiche Inflationsreduktion in kürzester Zeit erschwerten. Inflationstreiber sollten unter Kontrolle gebracht werden. Schließlich lag ein weiterer, nicht zu unterschätzender Grund in der ideologischen Obsession des Präsidenten mit der vermeintlich schädlichen Rolle des Staates und öffentlicher Institutionen. Selbst noch nach drei Monaten im Amt verweist Milei beharrlich auf Theorien oder verkürzte Zitate der Ökonomen Milton Friedmann und Friedrich A. von Hayek und will Staatsausgaben kompromisslos und gegen jegliche politische oder ökonomische Rationalität von einem Tag auf den anderen auf Null reduzieren.

Zwar zeigen die ersten Zahlen der Inflationsentwicklung für jeweils Januar und Februar 2024 (20,6 Prozent und 13,2 Prozent) einen tatsächlichen Rückgang im Vergleich zum Dezemberwert mit 25,5 Prozent auf, allerdings folgte dieser „Rückgang“ auf die Monate Dezember bis Februar mit dem höchsten Anstieg im Vorjahresvergleich seit 1991 mit Werten im Jahresvergleich auf 276,2 Prozent.

Das schlagartige, faktische Aussetzen der Haushalte mit einer de-facto Kürzung durch Nicht-Anpassung von Löhnen und Gehältern in staatlichen Institutionen wie auch der Rückzug aus der Moderation von Tarifverhandlungen und das Einfrieren der Renten haben in Verbindung mit einem staatlichen Investitionsstop und massiven Entlassungen in öffentlicher Verwaltung, staatlichen Unternehmen und der Privatwirtschaft, zu einer harten Vollbremsung der Wirtschaft geführt. Im Laufe der nächsten Monate könnte sich hier eine umfassende und vor allem hartnäckige Rezession entwickeln. Bereits jetzt hat diese Rezessions-Situation bei hoher Inflation in Peso zu einem dramatischen Einbruch von 25 bis 40 Prozent des Umsatzes in verschiedenen Sparten des Einzelhandels, der Automobil- und Textil-Industrie geführt. In mehreren Unternehmen hat dies die Entlassung beträchtlicher Anteile der Belegschaft zur Folge.

Für die Wirtschaft gibt es trübe Aussichten und die Armut steigt

Die rezessive Entwicklung des Binnenmarktes ist laut einigen Beobachter*innen womöglich Teil einer bewussten Strategie, sowohl Inflation durch Rezession zu bekämpfen wie zugleich auch mittelfristig einer wie auch immer gearteten Dollarisierung den Weg frei zu räumen.
Allerdings hat die Regierung durch die beginnende Rezession schon jetzt ein Einnahmenproblem, solange Argentinien keine Investitionen aus dem Ausland erreichen. Einnahmen sollen durch noch mehr Kürzungen und tatsächlich der Wiedereinführung einer Einkommensteuer auf die unteren Einkommensgruppen generiert werden.

Steuererhöhungen stehen eigentlich konträr zu Mileis ideologischer Orientierung und seinen Wahlversprechen. Gleichzeitig verschärft eine weitere Belastung der Bevölkerung das Rezessionsproblem deutlich. Schon jetzt haben sich zu Monatsbeginn im März 2024 in wenigen Wochen bei gleichbleibenden Einkommen Mieten, Gesundheits-, Bildungs-, ÖPNV-, Kraftstoff- und Lebensmittelausgaben zusammen mit den Kosten für Strom, Gas und Telefon verdoppelt und  zum Teil verdrei- oder vervierfacht. Ein Großteil der sich bislang leidlich durchschlagenden Mittelschicht ist nun gezwungen, ihre Ausgaben drastisch einzuschränken oder sogar ihre lang ersparten US-Dollar in Peso einzutauschen, um alltägliche Ausgaben bestreiten zu können und bis zum Monatsende zu gelangen.

Die Armutsgrenze für eine vierköpfige Familie liegt laut der Erhebungen zum durchschnittlichen Warenkorb nun bei 690.000 Pesos monatlich (nach aktuellem offiziellen Wechselkurs ca. 745 Euro), die Grenze zur absoluten Armut, also ein ausschließlich aus Lebensmitteln zur Deckung des normalen Kalorienbedarfes zugrunde gelegter Warenkorb, bei 322.851 Pesos (ca. 348 Euro), während der Mindestlohn derzeit bei 202.000 Pesos (218 Euro) liegt.

In den ersten zwei Monaten der Regierung Milei hat sich der Armutsanteil erhöht.

Katastrophal stellt sich die Lage in den ärmsten Vierteln in den Vorstädten dar: Dort wurden bislang vom Sozialministerium besondere Hilfsprogramme mit Lebensmittellieferungen an Gemeinschaftsküchen zahlreicher Organisationen finanziert. Seit Jahresbeginn wurden sie im Zuge der selbst auferlegten Haushaltssperre schlicht nicht wiederaufgenommen. Ebenso wurde die Auszahlung eines halben Mindestlohnes für Beschäftigte in den Gemeinschaftsküchen ausgesetzt. Begründung dafür war, man wolle keine Vermittler*innen finanzieren. Ebenfalls ausgesetzt wurden die Zuschüsse für Schulspeisungen in den Provinzen. Zwar nahm die Regierung die Hilfen für einzelne Organisationen der Kirchen und evangelikaler Vereinigungen nach Protesten wieder auf, doch zahlreiche andere, unabhängige, kritischere oder auch politisch nun nicht mehr genehme Organisationen und Selbsthilfegemeinschaften stehen plötzlich mittellos da.

Vor allem diese Kürzungen und die ausgesetzte Rentenanpassung für die monatlich rund 105.000 Pesos betragende Mindestrente (die 65 Prozent aller Rentenempfänger*innen erhalten) veranlasste selbst den Internationalen Währungsfonds (IWF) dazu, bei der Regierung vergleichsweise deutlich und dringend soziale Ausgewogenheit und Rücksicht auf die ärmsten Bevölkerungsteile anzumahnen.

Seit dem dritten Quartal 2023 und vor allem in den ersten zwei Monaten der Regierung Milei hat sich der Armutsanteil von 44,7 über 49 Prozent im Dezember auf 57 Prozent im Januar 2024 erhöht, während der Anteil der absolut armen Bevölkerung in demselben Zeitraum von 9 auf über 15 Prozent gestiegen ist.

Digitale Hass-Kampagnen und Angriffe auf Andersdenkende, Wissenschaft und Bildung nehmen zu

Die Umfrage- und Zustimmungswerte für die Regierung sind im Februar 2024 angesichts dieser Situation zwar noch vergleichsweise stabil - vor allem bei Männern unter 30 Jahren und in besseren Vierteln, deutlich weniger bei Frauen -, aber lokal aufgeschlüsselt sinken sie bereits, vor allem im Großraum Buenos Aires.

Medial unterstützt werden die Regierungspolitiken seit Tag 1 von einer massiven, eng mit den internationalen Netzwerken der neuen Rechten abgestimmten Kampagne über digitale Plattformen mit einem Heer an nun staatlich finanzierten Trollen und Bots, die Milei schon im Wahlkampf zu seinen entscheidenden Erfolgen verhalfen. Die Massivität und Aggressivität der Kampagne mit radikalen, gewaltverherrlichenden, diffamatorischen und hassgetränkten Angriffen erreicht zeitgleich mit der Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage und den Schwierigkeiten der Regierung ihr Reformpaket durch den Kongress zu bringen, einen neuen Höhepunkt.

Im Zuge der immer noch unpopulären Kürzungspolitiken im Bildungswesen werden nicht nur die Lehrer*innen-Gewerkschaften, bisherige Schulpolitiken und Lehrpläne angegriffen, sondern auch Universitäten und der renommierte Nationale Rat für wissenschaftliche und technologische Forschung CONICET. Einzelne seiner Forscher*innen, vor allem in geisteswissenschaftlichen Disziplinen, werden diffamiert. Gleich zu Regierungsbeginn wurde das Frauenministerium und vor wenigen Wochen das Antidiskriminierungs-Institut INADI aufgelöst und sämtliches Personal entlassen, was von der Kampagne propagandistisch umfassend ausgeschlachtet wird.

Die Dauerbeschallung lässt keinen Raum für einen strategischen, politischen Gegenentwurf.

Bereits im Februar überzog diese Kampagne einzelne Abgeordneten und Senator*innen, die für politische Verhandlungen des Reformpakets im Kongress votierten, mit namentlichen Erwähnungen und Memes mit Fadenkreuzen. In der Auseinandersetzung mit den Gouverneuren des zum Teil eigenen Koalitionsspektrums zu den einseitig verfügten Kürzungen der Überweisungen aus dem nationalen Haushalt an die Provinzen zur Bezahlung von Lehrpersonal- und Polizeigehältern und des ÖPNV, eskalierten die persönlichen Angriffe und Verleumdungen in einer bislang nicht für möglich erachteten Weise. Auch ekelerregende Meme-Motive und Bilddarstellungen wurden eingesetzt. Selbst gestandene liberale Vertreter der eigenen Reform-Koalition wurden sprichwörtlich als Verräter gebrandmarkt.

Anti-Feminismus und gesellschaftliche Spaltung

Zum internationalen Frauentag am 8. März wurde das Internet geflutet mit Drohungen der Regierung, allen öffentlich beschäftigten Demonstrationsteilnehmer*innen den Tag vom Gehalt abzuziehen. Der „Salon der Frauen“ im Präsidentenpalast wurde in einen Salon der „Väter des Vaterlands“ umgestaltet. Fotos zeigen, wie bisher ausgestellte Portraits der bedeutendsten Frauen Argentiniens mit den Portraits u.a. der Gründerväter aus dem 19. Jahrhundert überhängt wurden.

Am Donnerstag, den 13. März, lehnte der Senat schließlich mit einer klaren Mehrheit das sogenannte Mega-Dekret ab. Umgehend überschwemmten Diffamierungen und Androhungen physischer Gewalt das Internet unter Veröffentlichung von Namen und Telefonnummern der ablehnenden Senator*innen. Selbst die eigene Vizepräsidentin und Senatsvorsitzende Victoria Villaruel wurde mit dem Vorwurf angegriffen, sie habe die Abstimmung zum Dekret absichtlich ohne Erfolgsgarantie vorzeitig terminiert, um damit Milei zu schwächen und sich selbst zu positionieren.

Natürlich ist diese Strategie darauf gerichtet, in ihrem pausenlosen Bombardement durch Erregung und Übermüdung abzulenken von den eigentlichen Vorhaben und ihren Profiteur*innen, wie auch den Schwierigkeiten in der Umsetzung. Zugleich lässt die Dauerbeschallung keinen Raum für einen strategischen, politischen Gegenentwurf und erschwert somit die Bildung einer funktionierenden Opposition, womöglich über Parteigrenzen hinweg. Und doch ist es auch der aus anderen Ländern bekannte Versuch, in einem umfassenden „Kulturkampf“ die als „Gegner“ identifizierten Teile der Gesellschaft zu entwerten und zu kriminalisieren, sich selbst als mindestens moralisch höherwertig zu inszenieren und somit parallele Wirklichkeiten aus den Blasen und Tiefen des Internets fest im realen Leben zu etablieren.

Dies führt nicht nur zu einer effektiven Blockade ernsthafter und notwendiger politischer Debatten zu unterschiedlichen Agenden und Herausforderungen, sondern legitimiert faktisch auch Vorfälle rechter Gewalt im ganzen Land. Davon waren und sind nicht nur Akteur*innen aus dem Menschenrechtsspektrum, sozialen Bewegungen, Umwelt-, Indigenen-, feministischen und LGTBIQ-Organisationen betroffen, sondern mittlerweile -zumindest verbal- auch demokratische, linksprogressive, wie auch konservativ-liberale Partei-Spektren, Aktivist*innen und Kandidat*innen.

In dieser Lage sollten nun auch die Teile der Parteien-Spektren, die das wirtschaftliche Reformprogramm unterstützen, fragen, wie weit dieses in seiner Radikalität noch gehen kann, zumal es offenkundig auch nur für einen Bruchteil der ökonomischen Akteur*innen vorteilhaft ist. Die maßlose Polarisierungskampagne setzt den Zusammenhalt der Gesellschaft und die Fähigkeit der demokratischen Institutionen aufs Spiel, durch demokratische und respektvolle Aushandlungsprozesse langfristig tragfähige Staatspolitiken zu definieren.

In seiner Ansprache zur Eröffnung der Legislatur am 7. März bot Präsident Milei den Gouverneuren in einer konzilianten Passage einen Pakt zum 25. Mai (Nationalfeiertag der Unabhängigkeit) an, der das Reformprogramm und seine Regierungsfähigkeit sichern soll: Kern des Vorschlags war seine Zusage, einen Aushandlungsprozess über Steuerreformen und eine Neuausrichtung des hiesigen Länderfinanzausgleich zu beginnen.

Voraussetzung sollte aber die vorherige Zustimmung der Gouverneure und „ihrer“ Abgeordneten und Senator*innen zu seinem Dekret sein. Zwar lehnten die Gouverneure den Vorschlag in freundlicher Zurückhaltung nicht gleich ab, aber nachdem das erste Treffen in Buenos Aires ohne Anwesenheit des Präsidenten stattfand, scheint das Vertrauen in dessen Verhandlungsbereitschaft nicht sonderlich gewachsen zu sein.

Denn schon die bisherige Art und Weise der Einbringung und Befassung der "ley omnibus" und ihrer einzelnen Kapitel durch die Regierung im Januar 2024 verletzte mehrfach das parlamentarische Protokoll. Eine Reihe von Verschärfungen/Veränderungen im Strafgesetzbuch und Zivilrecht Argentiniens, die erst nachträglich in zahlreichen, veränderten Fassungen des Entwurfs eingeschoben wurden, konnte in keinem Ausschuss ernsthaft debattiert werden. Zudem schränkten Regierungsvertreter*innen als Ausschussvorsitzende Rederecht ein oder stellten schlicht die Mikrofone ab. Dies widerspricht sämtlichen Regeln und Gepflogenheiten funktionierender, liberaler Demokratien und Rechtsstaaten.

Ob und wieweit sich auch die kritischeren Teile der die Regierung unterstützenden Parteien und Unabhängige zu einer Ablehnung des Reform-Pakets in der bisherigen Form durchringen können, ist allerdings kaum abzuschätzen. Denn dazu müssen auch Drohungen des Präsidenten ernstgenommen werden, ggf. am Parlament vorbei ein Referendum zur Reform und seiner "Ermächtigung des Regierens per Dekret" durchzuführen (das eigentlich nicht vorgesehen und bindend wäre), wie auch ggf. die eigentlich in zwei Jahren anstehenden Turnuswahlen im Kongress auszusetzen.

Auch wenn dies zurzeit nicht ohne Weiteres vorstellbar ist, sind die Haarrisse am Grundvertrauen in das Funktionieren der argentinischen Demokratie schon jetzt nicht zu übersehen.